Büro Kopernikus - Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes

Nachbarschaft ist wohl eine der unmittelbarsten Beziehungen, die Menschen und Staaten miteinander verbinden können. An geografischen Fakten ist schließlich nicht zu rütteln, und so macht eine gemeinsame Grenze die Beschäftigung miteinander unausweichlich. Sogar wenn diese darin bestehen sollte, den anderen bewusst zu ignorieren – Nachbarn sind sich nahe und können das nicht ernsthaft bestreiten.

Das gilt auch für Deutschland und Polen, die nicht nur beide an der Oder liegen, sondern auch eine Geschichte haben, die aus dem Umgang miteinander in der Gegenwart nicht auszublenden ist. Nicht zu leugnen sind die Vorbehalte, nicht zu leugnen aber auch das Interesse am Nachbarn, auch wenn nicht beides auf beiden Seiten der Grenze gleich verteilt sein mag. Die einen betonen, wie großartig sich das Verhältnis der beiden Länder zu Beginn des neuen Jahrtausends entwickelt, andere betrachten es sorgenvoll als problematisch. Beide Sichtweisen sind dabei wohl zu pauschal, um den täglichen Umgang zu begreifen, den Deutsche und Polen miteinander bereits pflegen.

Bestes Anschauungsmaterial findet sich dafür auf dem Feld der Kultur. Und zwar nicht nur in den Hauptstädten, sondern auch entlang der Nebenstrecken des Berlin-Warszawa-Express. Ohne, dass hier das Thema Völkerverständigung zur Zielvorgabe erklärt worden wäre, finden deutsche und polnische Künstler und Kulturschaffende in den Metropolen und in der Provinz zueinander. Sei es, weil sie sich für dieselben Themen, sei es, weil sie sich für einander interessieren. In der Arbeit entstehen dabei Resultate und Erkenntnisse, bisweilen aber auch Befremdungen und Irritationen. Immer ist dies ein offener Prozess, den Büro Kopernikus anstoßen und begleiten, nicht aber dirigieren will.

Es geht in dieser Arbeit also um das Verursachen von Initialzündungen. Und darum, Leute zusammen zu bringen, die sich vorher vielleicht noch gar nicht kannten, die aber noch weit über die Lebensdauer von Büro Kopernikus hinaus zusammenarbeiten werden. Die Themen und Fragestellungen, mit denen sich die beteiligten Kulturschaffenden und Künstler auseinandersetzen, sind zeitgenössisch, indem sie sich neben einer Reflektion der Vergangenheit immer auch an einem Blick in die Zukunft versuchen – das Utopische hat in mehreren Projekten einen zentralen Ort.

Das schlägt sich in den Arbeiten zu Planstädten und Geisterorten nieder, die in Wolfsburg, Nowa Huta und Warschau aufgefunden werden. Die alte Grenze – stellvertretend repräsentiert durch den Fluss Oder – verliert auch in einem neu geordneten Europa nicht an Bedeutung, während in ehemaligen Industriegebieten neue Produktionsformen probiert werden: wo Stahlarbeit war, setzt Kopf- und Imaginationsarbeit ein. Diese setzt sich wiederum mit möglichen Lebensformen im postindustriellen Zeitalter auseinander. Die je verschiedene Struktur und Rolle von Öffentlichkeit in beiden Ländern wird sichtbar, wo das private Gespräch ein größeres Publikum bekommt, bis sich das Stimmengewirr im Äther zu einem gehörigen Krach verdichten kann.

Wenn es dabei stets um konkrete Orte geht – und auch um die ungehobenen Schätze abgelegener Regionen – greifen die Projekte auch weiter aus. In einer Welt, in der Datenströme und Medien, Spiel- und Denkregeln und ästhetische Formen längst global vernetzt sind, sind auch sie nicht durch einen binationalen Rahmen begrenzt. Das aber muss niemandem gesagt werden, denn die vielen Künstler, die wir für unsere Arbeit gewinnen konnten, bewegen sich sowieso schon längst in einem internationalen Kontext.

Nikolaus Kopernikus wird von Deutschen und Polen gleichermaßen für sich beansprucht. Wir sind nun vorübergehend in eines seiner kleinen Vorzimmer eingezogen. Nach der letzten – politischen – Wende und der EU-Erweiterung wissen wir, Deutschland und Polen können nur zwei Umlaufbahnen in einem weitaus größeren Gebilde für sich beanspruchen.

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Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes in den Jahren 2004 bis 2006


Deutsch-Polnisches Jahr 2005/2006
Büro Kopernikus beteiligt sich mit seinen Projekten am Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006.
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