Vom Ruhrgebiet lernen?
Silke Kettelhake

Die Wojewodschaft Śląsk, Schlesien, Kern des oberschlesischen Industriegebiets, umfasst die südlich angrenzenden Beskiden und reicht mit der Region um Częstochowa über die historische Nordostgrenze Oberschlesiens hinaus: Dazu gehören die Wojewodschaft Opole und südwestlich angrenzende Gebiete im heutigen Tschechien. Gemeinsamer Nenner war und ist der Bergbau – wie im Ruhrgebiet. Seit 1964 betreibt das Land Nordrhein-Westfalen eine Patenschaft mit Oberschlesien. Dr. Susanne Peters-Schildgen vom Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen ist Mitinitiatorin des seit 2003 bestehenden Arbeitskreises Ruhrgebiet-Oberschlesien, der sich der Industriegeschichte, dem Strukturwandel, der Kultur und den gegenwärtigen gemeinsamen Problemen im Ruhrgebiet und in Oberschlesien widmet.

Wie Fördertürme zu Industriedenkmalen werden
Der Weg war lang im Ruhrgebiet, um aus Zechen kulturelle Ort zu kreieren: Erst einmal musste ins gesellschaftliche Bewusstsein der Gedanke sickern, dass es hier überhaupt ein erhaltenswertes kulturelles Erbe zu bewahren gilt. Dass Kultur ein Gut ist, das man sich leisten will, ist hier inzwischen selbstverständlich; in Oberschlesien dagegen werden die letzten Zechen geschlossen und der angesehene Status der Bergarbeiter versinkt angesichts der neuen Zeit im Nichts.

Wo liegt Oberschlesien? Die Wojewodschaft Śląsk,Schlesien, Kern des oberschlesischen Industriegebiets, umfasst die im Süden angrenzenden Beskiden und reicht mit der Region um Częstochowa über die historische Nordostgrenze Oberschlesiens hinaus: Zum historischen Oberschlesien gehören die Wojewodschaft Opole und südwestlich angrenzende Gebiete im heutigen Tschechien. Auf der Suche nach ihrer Identität besinnen sich die Wojewodschaften Schlesien und Opole auf ihre Geschichte und Kultur sowie auf den deutschen Anteil. Sie empfinden sich als eine Region, die von vielen Kulturen geformt wurde, und unterscheiden sich durch diese Besonderheit von anderen Regionen Polens. Auch im schlesischen Zipfel Tschechiens knüpft man an die landestypischen Traditionen an.

Seit 1964 betreibt das Land Nordrhein-Westfalen eine Patenschaft mit Oberschlesien und unterzeichnete 2000 mit der Wojewodschaft Schlesien eine gemeinsame Erklärung über die „Zusammenarbeit und den Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen“. Dr. Susanne Peters-Schildgen vom Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen ist Mitinitiatorin des seit 2003 bestehenden Arbeitskreises Ruhrgebiet-Oberschlesien, der sich der Industriegeschichte, dem Strukturwandel, der Kultur und den gegenwärtigen gemeinsamen Problemen im Ruhrgebiet und in Oberschlesien widmet.

Was unterscheidet die Region des Ruhrgebiets von der Oberschlesiens hinsichtlich ihrer Sozial- und Urbanisierungsgeschichte, wo sind Ähnlichkeiten zu finden?
Insbesondere in der Phase vor dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg prägte in beiden Regionen die Montanindustrie, Städtewachstum und Bevölkerungsentwicklung. Binnenwanderung und Anwerbekampagnen in den östlichen Provinzen zogen Hunderttausende meist junge Männer in das noch Mitte des 19. Jahrhunderts dünn besiedelte und dörflich-agrarisch geprägte Ruhrgebiet. In wenigen Jahrzehnten entstand ein Netz von dichten Industrieagglomerationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Ruhrgebiet erneut zur Zuwanderungsregion. Seitdem geht die Bevölkerung kontinuierlich zurück, wenngleich heute Menschen aus mehr als 150 Nationen hier zusammenleben.

Die Arbeiterschaft im oberschlesischen Industrierevier rekrutierte sich in der Hochphase der Industrialisierung aus der Landbevölkerung: aus oberschlesisch sprechenden Schlesiern, Deutschen aus Niederschlesien und den benachbarten sudetendeutschen Gebieten, zahlreichen polnischsprachigen Migranten der Provinz Posen und dem angrenzenden russischen „Kongresspolen“. Die weit reichenden Bevölkerungsverschiebungen in Oberschlesien sind Folgen der Weltkriege wie die Gebietsteilung von 1921, der durch die nationalsozialistische Herrschaft und ihre berüchtigte Volksliste ausgelösten Zwangsumsiedlungen sowie der Nachkriegs-, Umsiedlungs- und Vertreibungsmaßnahmen unter sowjetischer und polnischer Verantwortung.

Single-Mahlzeiten

Seit dem Ende des Kommunismus bestimmt der Konkurs den Umstrukturierungsprozess. Der Verlust von Arbeitsplätzen hat die Existenzgefährdung vieler Arbeiterfamilien zur Folge –
und damit auch den Untergang eines durch die Montanindustrie geprägten Lebensstils und eines eigenen sozialen Gemeinschaftslebens.

Auch im Ruhrgebiet ist die Dominanz der Kohle vorüber; damit ging und geht noch immer eine gravierende Änderung der für die Industrialisierungsphase typischen Familienstrukturen einher: geringe Heiratsneigung, hoher Anteil an Single-Haushalten und niedrige Kinderzahlen – Ausdruck einer neuen urbanen Kultur mit einer individualisierten Lebensgestaltung.

Was für ein Stadttypus ist entstanden?
Die Stadtgeschichte beiderseits lässt sich bis ins hohe Mittelalter zurückverfolgen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert, während der Hochindustrialisierung, gewannen diese Städte mit über hunderttausend Einwohnern eine neue architektonisch-urbane Gestalt, die mittelalterlichen Stadtkerne verschwanden. Es entstand die typische Mischung aus Industrieanlagen, Siedlungen und Bahnlinien, die sich aufgrund fehlender Planungen verfestigen konnte. In beiden Industrierevieren entstanden nach dem Ersten Weltkrieg Pläne, um die Kooperation zwischen den Städten voranzutreiben, wie die Gründung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk 1920 oder die Realisierung einzelner Bauvorhaben der „Dreistädte-Einheit“ von Bytom, Beuthen, Gliwice, Gleiwitz und Zabrze, Hindenburg, Ende der 1920er-Jahre zeigen.

Gelegenheit zur Avantgarde

Im Ruhrgebiet prägten Kriegszerstörungen sowie der Wiederaufbau der Wirtschaftswunderzeit die Stadtlandschaft – während das oberschlesische Kohlenrevier sein Erscheinungsbild bis heute weitgehend bewahren konnte. Im geteilten Oberschlesien der Zwischenkriegszeit entstanden expressionistische Bauten, eine Gartenstadtarchitektur sowie erste Hochhäuser. Monotone, zumeist am Stadtrand errichtete Plattenbauten kennzeichnen die Architektur der sozialistischen Ära. Die Schließung der Zechen führte zu Abbruch und Verfall in den umliegenden Stadtvierteln, vor allem in den Gemeinden, die bis dahin nahezu ausschließlich vom Bergbau geprägt waren. Auf riesigen Brachen entstehen nun Wohnparks und Einkaufszentren wie das „Silesia City Center“ in Katowice, Kattowitz, mit 240 Geschäften das größte Einkaufszentrum der Region. Weitere moderne Bauvorhaben in der Wojewodschaftshauptstadt unterstreichen die Entwicklung zu einem von Informationstechnik, Wissenschaft, Forschung und Kultur geprägten Oberzentrum.

Im Ruhrgebiet wie in Oberschlesien lassen heute noch Wachstumsruinen, unvollendete Straßenzüge, viel zu groß abgesteckte Wachstumsräume und industrielle Brachen inmitten fragmentierter Urbanität den Strukturwandel deutlich werden.

Der Anfang vom Ende: Steinkohlebergbau und Eisenhüttenwesen

Inwiefern waren in Oberschlesien die Abwanderung der deutschen Bevölkerungsanteile
Ende der 1980er-Jahre sowie die Ablösung des Kommunismus von Bedeutung?

Die größte Auswanderungswelle fand zur deutschen Wendezeit statt. Neben Auswanderern mit deutschen Wurzeln entschieden sich vor allem Polen, von denen viele keine oberschlesischen Bindungen besaßen, zu gehen. Allein in Gliwice, Gleiwitz, schrumpften in den Jahren von 1989 bis 2002 die Bevölkerungszahlen um ein Zehntel: 1989 zählte Gliwice 222.084 Einwohner, 1997 212.781 – und 2002 nur noch 204.820 Menschen, geschuldet dem Rückgang des Steinkohlebergbaus und des Eisenhüttenwesens. Ein bedeutender Teil der Arbeiterschaft musste entlassen werden. Von 1996 bis 2000 entschied sich der polnische Staat mit aufwändigen Umstrukturierungsprogrammen ähnlich wie in Großbritannien zu einer radikalen Lösung: Die Bergleute erhielten hohe Abfindungen für ihren Weggang aus den Gruben – große Bargeldsummen, die in das Ballungsgebiet auf Kosten anderer Landesregionen gepumpt wurden. Ein Teil der hoch qualifizierten Fachkräfte wanderte in attraktivere polnische Ballungsgebiete ab.

Besonders die Kohle ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, auch aufgrund der steigenden Nachfrage aus China. Seit 2004 hat der einst verschuldete Bergbausektor über zwei Milliarden Złoty Gewinn eingebracht. Polen könnte mit dem oberschlesischen Industriegebiet zum Hauptlieferanten für den europäischen Markt avancieren, wenn in einen modernen Kohleabbau investiert wird. Möglicherweise sind die qualifizierten Arbeitskräfte auch aufgrund der seit mehreren Jahren eingefrorenen Löhne abgewandert. Auch haben die Massenentlassungen im Bergbau die wirtschaftliche Lage stabilisiert.

Soziale Brennpunkte

Mit welchen Schwierigkeiten kämpfte und kämpft das Ruhrgebiet?
Arbeitslosigkeit stellt das größte Problem dar; sie liegt seit Beginn der Stahlkrise hier stets über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Eine starke Belastung ist die für die Wirtschaft des Ruhrgebiets typische Dominanz großer Unternehmen, die lange den Markt regulierten und beherrschten. So konnten sich zunächst keine innovationsfähigen Unternehmen entwickeln wie etwa forschungs- und entwicklungsintensive Branchen. Gleichzeitig boomte der Dienstleistungssektor. Die Umweltprobleme haben sich infolge der Schließung zahlreicher Montanbetriebe – heute gibt es nur noch sieben Zechen im Ruhrgebiet – erheblich verringert. Die Siedlungsfläche des Ruhrgebiets kennzeichnet eine hohe Fragmentierung und ein geringes Maß an Zentralität – drei Regierungsbezirke, zwei Landschaftsverbände. Mit der „Städteregion Ruhr 2030„ entwickelte ein Forschungsverbund neue Visionen für die Kernzone des Ruhrgebiets. Teil nahmen die Städte Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen. Ein Leitprojekt der Städteregion Ruhr ist der gemeinsame Flächennutzungsplan der Städte Bochum, Essen und Gelsenkirchen. So übernehmen die Städte regionale Verantwortung für jene Gegend, die für die Regionalplanung der drei Regierungsbezirke ein „blinder Fleck“ ist: die Städteregion Ruhr.

Seit wann wurde versucht, im Ruhrgebiet Schrumpfungsprozesse und Bevölkerungsrückgang aufzuhalten?
Die ehemaligen Werkssiedlungen beherrscht heute eine Anonymität der sozialen Verhältnisse. Politik und Verwaltung erkennen erst seit einigen Jahren im Bevölkerungsrückgang ein Indiz fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen. Es wurde übersehen, dass der drastische Geburtenrückgang der Jahre 1965 bis 1975 die Ursache der heutigen dramatischen Verschiebungen im Altersaufbau ist. Prof. Dr. Klaus Strohmeier, Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung der Ruhr-Universität-Bochum, schätzt, dass in wenigen Jahren die Mehrheit der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat. In den ärmsten und problembelasteten Stadtteilen wird infolge der hohen Fluktuationsraten die Bevölkerung innerhalb weniger Jahre ausgetauscht sein. Die meisten Handlungsansätze der sozialen Stadterneuerung gehen von einer Art partizipatorischem Selbstläufermechanismus, einem Miteinander der Generationen, aus.

Entstand in den letzten Jahrzehnten im Ruhrgebiet ein Wertekonflikt zwischen Kultur und industrieller Prägung?
Die kulturellen Eigenleistungen der montanindustriellen Großstädte – der Städte der Arbeit – waren relativ schwach. Kultur wurde meist importiert, auch unter staatlicher Einmischung, entsprach jedoch kaum den Bedürfnissen der Arbeiterbevölkerungen. Diese Lücken füllten Initiativen aus dem Umkreis der Kirchen und der Arbeiterbewegungen. Das neue Bildungsbürgertum – Kinder und Enkel der Bergarbeitergeneration, die an den zwölf Hochschulen im Revier studieren – ist ein wichtiger Konsument des mittlerweile vielfältigen Kulturangebots im Ruhrgebiet. Die Industriedenkmalpflege erarbeitet seit 1970 viele Modalitäten für neue Nutzungen von Maschinenhallen, Fördertürmen und -gerüsten, aber auch von ganzen Großanlagen des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet.

Das industrielle Erbe des Ruhrgebiets bildete Ende der 1980er-Jahre den Ausgangspunkt für die Internationale Bauausstellung IBA mit dem Ziel einer umfassenden Erneuerung der Region. Auch die Ruhr-Triennale nutzt industrielle Stätten als ungewöhnliche Spielorte für Theateraufführungen und Konzerte. Dass Kultur in einer neu entstehenden Metropolregion in besonderem Maße Identität zu stiften vermag, zeigt eindrucksvoll die erfolgreiche Bewerbung der Stadt Essen als Kulturhauptstadt Europas 2010.

Wie sieht es mit der ökonomischen Tragfähigkeit der kulturellen Nachnutzung aus?
Kultur kostet, das weiß man auch im Ruhrgebiet. „Leuchtturmprojekte“ mit überregionaler Strahlkraft sind dabei ebenso wichtig wie die kulturelle Grundversorgung einzelner Stadtteile. Das NRW-Kulturministerium stellte Gérard Mortier, dem ersten Intendanten der Ruhr-Triennale, 41 Millionen Euro für die ersten drei Jahre zur Verfügung. Auf dem UNESCO-Weltkulturerbe Zeche Zollverein entstand eine Designschule, zudem wird hier das neue Ruhr Museum errichtet. Neben dem Kompetenzfeld Design ist die Zeche Zollverein ein Highlight bei der Präsentation von Industriekultur und ein Tourismusmagnet. Fördergelder, auch aus der EU, fließen in dieses Projekt.

Die Reform der Schwerindustrie: abgewickelt

Wie begegnet man in Oberschlesien Armut und Perspektivlosigkeit?
Die Menschen im oberschlesischen Industriegebiet trifft es härter als im Ruhrgebiet, der Wandel ist aggressiver, die Schrumpfungsprozesse verlaufen schneller. Um die Beschäftigten der liquidierten Industriebetriebe kümmert sich niemand; es fehlt an politischer Entschlusskraft. Die derzeit ausgearbeitete Entwicklungsstrategie für die Wojewodschaft Schlesien bis zum Jahre 2020 gründet sich vor allem auf der Entwicklung einer modernen Industrie, der Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen, dem Ausbau des Dienstleistungssektors sowie auf dem Umbau des Schulsystems. Die Verschränkung von Industrie und Wissenschaft wie in der Medizin, der Automobilindustrie oder der Umweltschutztechnologie soll – ähnlich dem Ruhrgebiet – die Wojewodschaft zu einer vorzeigbaren, lebenswerten Wirtschaftsregion werden lassen. Unabdingbar ist die qualitative Verbesserung der natürlichen Umwelt, die Aufwertung des städtischen Raums sowie die Optimierung der Transportdienstleistungen. Mit den gravierenden Problemen des Strukturwandels wird die Region noch lange zu kämpfen haben.

Gibt es in Oberschlesien ein Bewusstsein für Geschichtskultur und Denkmalpflege?
Schornsteine und Fördertürme gehören zum Alltag. In der Gesellschaft fehlt vielfach die Überzeugung, dass Industrieobjekte es wert sind, geschützt zu werden: Nach einer Dokumentation des Amtes für Denkmalschutz der Wojewodschaft Schlesien besitzt diese nicht mehr als etwa 70 in das Register der Kulturschätze eingetragene Objekte. Die Zahl der nicht registrierten Denkmale liegt bei 186 Objekten verschiedener Industriezweige. 96 Ortschaften der Wojewodschaft Schlesien besitzen technische Objekte, die der Analyse bedürfen. Es besteht die Gefahr, dass eine große Zahl von Industriekomplexen durch das Raster der als erhaltenswert eingestuften Denkmale fällt. Da die finanziellen Mittel für die Rettung des technischen Erbes nicht ausreichen, wird oft eine schmerzhafte Wahl getroffen zwischen dem, was bewahrt, und dem, was aufgegeben werden muss.

Touristische Erschließung

Nach dem Vorbild der Route der Industriekultur des Ruhrgebiets erstellt das Schlesische Zentrum für Kulturerbe (ŚCDK) in Katowice/Kattowitz zusammen mit der Wojewodschaft Schlesien eine technische Denkmalroute, die vorerst 37 historische Betriebe und Industriebauten umfassen soll: Kulturdenkmale, Arbeitersiedlungen, aber auch produzierende Betriebe mit Besichtigungsangebot. In Zabrze/Hindenburg, laut kommunaler Werbung einer „Stadt des Industrietourismus“, wird mit einem Kostenaufwand von 20 Millionen Euro der Ausbau der Museumszeche „Königin Luise“ einschließlich eines Schifffahrt-Stollens aus dem 19. Jahrhundert geplant, den Touristen auf einer Länge von mehreren Kilometern befahren dürfen. Ziel ist die Bewahrung des industriellen Erbes in der Region.

Wie reagiert die Regional- und Strukturpolitik der EU?
Die frühere Montanregion Ruhrgebiet verfügt mittlerweile nicht nur über eine gute Infrastruktur – hinzu kommen Erfahrungen mit kooperativen Politikformen und der Akquise von Geldern aus der öffentlichen Hand. Ab 2006 muss das Ruhrgebiet nach Reformen der europäischen Regionalpolitik und vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung mit erheblich geringeren Fördermitteln auskommen, die nun vorrangig für Technologie und Innovation sowie für die Qualifikation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Ressourcen zukünftiger Wirtschaftsentwicklung bereitgestellt werden sollen. Die klassischen Branchen des Ruhrgebiets werden fortentwickelt wie etwa die Energieerzeugung bis hin zur Solartechnologie, die Bergbautechnik, die weiterhin weltweit führend ist, und die hochproduktive Eisen- und Stahlindustrie mit neuen Materialien und Verbundwerkstoffen.
Das Fördersystem der Regionalentwicklung in Polen ist stark zentralisiert, obwohl eine deutliche Tendenz zur Abkehr von diesem Modell zu erkennen ist. Eine große Herausforderung ist das „Regierungsprogramm für postindustrielle Flächen“: Von 2004 bis 2010 fließen knapp 63,7 Millionen Złoty aus dem Staatshaushalt, aus Umweltschutzfonds und EU-Fonds in den Umbau. Das entspricht etwa 15,9 Millionen Euro. Für die Revitalisierung der Altstadt von Bielsko/Biała/Bielitz wurden 2,5 Mio. Złoty bewilligt; auch Chorzów/Königshütte, eine der am dichtesten besiedelten Städte, vertraut auf EU-Mittel.

Kann überhaupt ein Vergleich zwischen den beiden Industrierevieren gezogen werden?
Die Unterschiede bestehen hauptsächlich in den verschiedenen geschichtlichen und politischen Voraussetzungen. Beide Regionen müssen sich weiterhin mit den Folgen des Strukturwandels
auseinander setzen. Intensive Erfahrungsaustausche in den Bereichen Wirtschaft und Kultur sowie in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen helfen, Fehler zu vermeiden und erfolgreich durchgeführte Vorhaben als Modell für die eigene Region immerhin in Erwägung zu ziehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Silke Kettelhake ist fluter.de-Redakteurin für den Bereich Film im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie arbeitet als freie Journalistin für die taz, Jungle World, de:bug, das ifa-Magazin und andere. Zuvor montierte sie als Cutterin Musikclips und Werbung.
Thema:
Nach der Kohle: neues, altes Oberschlesien

Artikel zum Thema:
Die Medusa Group krempelt die Ärmel hoch
Unfertig bleibt noch auf lange Sicht der Umbau Oberschlesiens: Selbstbewusste Architekten brauchen eigenwillige Kunden. Und die gibt es endlich auch in Polen. Es gibt viel zu tun für die Medusa Group.
Projekte zum Thema:
Elektropopklub
[ Elektronische Musik und Kunst in Bytom und Wolfsburg ]
Skarbek
[ Theater zwischen Bildender Kunst und Tanz ]
PDF / RadioSimulator
[ Polnisch-Deutsche Freundschaft ]