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Skarbek

[ Theater zwischen Bildender Kunst und Tanz ]
Die Bergbaustadt Bytom in Oberschlesien, in der jahrhundertelang Erze und zuletzt auch Kohle abgebaut wurden, ist heute durch die Schließung der Schächte in ihren Fundamenten spürbar erschüttert. Viele der Häuser stehen, weil auch unter der Stadt abgebaut wurde, schief und sind vom Einsturz bedroht. Unter dem sichtbaren Bytom liegt also eine Stadt der toten Schächte und Gänge, die auch jetzt noch das Leben der oberirdischen Bewohner bestimmt. Früher, im sozialistischen Polen, waren die Bergleute die „Helden der Arbeit“, Schwerstarbeiter, die zwar ein hartes Leben führten, aber auch stolz auf ihre Arbeit waren. Seit Jahrhunderten gab es Festtagsuniformen mit besonderen Hüten, Prachtäxte, Bergmannskapellen, den Tag der Heiligen Barbara – die Arbeit bestimmte auch das soziale Leben. Heute fehlt der Stadt die ökonomische Grundlage. In der Nachbarstadt Gliwice ist ein neues Opelwerk entstanden – in Bytom gibt es nichts dergleichen.

Inspiriert durch den spezifischen Charakter des Ortes entwickelten die Berliner Künstlerin Antje Majewski und der Autor Ingo Niermann ein Stück über den Skarbek. Der Skarbek (deutsch: Schatzmeister) ist eine polnische Sagenfigur in Gestalt eines Gnoms. Er wohnt in verlassenen Minen, hütet deren Schätze und ist Herr über die Seelen der toten Bergleute. Noch vor zwei Generationen war die Figur des Skarbek für viele Bergleute Bytoms eine Realität – man zweifelte vielleicht an dem, was der Pfarrer erzählte, aber dem Skarbek war man selbst begegnet oder kannte jemanden, dem er einen üblen Streich gespielt hatte.

Das Stück „Skarbek“ spielt in einer Unterwelt, deren räumliche Verhältnisse unsicher sind: durch von den Tänzern bewegte Kulissen, Geräusche, Licht und Musik werden enge Tunnel und große Hallen beschrieben. In diese Welt unter Tage verirrt sich eine kleine Gruppe von Menschen, alte und jüngere Bewohner von Bytom. Sie suchen Schutz in den Höhlen vor etwas, das draußen vor sich geht, und sind für ihre Expedition schlecht ausgerüstet. Da sie nur eine einzige Taschenlampe besitzen, spielen Teile des Stückes in völliger Dunkelheit. Ihnen begegnet der Skarbek in unterschiedlichen Gestalten: als kleiner irrlichternder Kobold – dargestellt durch eine von innen erleuchtete Marionette –, als Maus, als toter Bergmann, und schließlich als mächtiger Herr des Berges.

Das Stück mit sieben Tänzern und einer Marionette wurde von dem Tänzer und Choreographen Tomasz Wygoda choreographiert. Die elektronische Musik der Komponistin Katrin Vellrath integriert Elemente traditioneller polnischer Musik. Die Künstlerin Antje Majewski und der Autor Ingo Niermann beziehen sich mit ihrem Stück auf das expressionistische Stationendrama und den frühen Ausdruckstanz sowie auf das Avantgardeballett der zwanziger Jahre, das auf Sagenstoffe zurückgriff und von bildenden Künstlern ausgestattet wurde.

Katalog und Schallplatte „Skarbek“
Herausgegeben von Antje Majewski, Ingo Niermann
Verlag Lukas & Sternberg, Berlin 2005
ISBN 1-933128-03-8



Das Projekt wird Adam-Mickiewicz-Institut aus den Mitteln des Kulturministeriums der Republik Polen im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres 2005/2006 mitfinanziert.
Veranstaltungsorte
Bytomskie Centrum Kultury, Bytom
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin

Veranstaltungstermine
Bytom: 21. Mai / 25. November 2005
Berlin: 24./25. Mai 2005

Beteiligte Institutionen
Bytomskie Centrum Kultury, Bytom
Thema:
Nach der Kohle: neues, altes Oberschlesien
Arbeit, Nichtarbeit
Projekte zum Thema:
Industriestadtfuturismus – 100 Jahre Wolfsburg/Nowa Huta
[ Ausstellungsprojekt ]
Elektropopklub
[ Elektronische Musik und Kunst in Bytom und Wolfsburg ]
PDF / RadioSimulator
[ Polnisch-Deutsche Freundschaft ]

ZUR WEBSEITE SKARBEK



20. November 2005, 16 Uhr
Tilsiter Lichtspiele, Richard-Sorge-Straße 25a, Berlin-Friedrichshain
Aufführung des Dokumentarfilms „Skarbek" und Präsentation des Katalogs